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BVwG: Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten an eine ägyptische Konvertitin

BVwG 25.10.2024, I403 2298710-1/8E


Die Beschwerdeführerin wird bei einer Rückkehr an ihren Heimatort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von ihrem Bruder schwer verletzt, misshandelt oder getötet werden, da er ihre Abkehr vom islamischen Glauben und den Übertritt zum christlichen Glauben nicht akzeptiert.

Die Beschwerdeführerin, eine ägyptische Staatsangehörige, reiste mit einem Schengen-Visum nach Österreich ein und stellte am 21.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 31.07.2024 wurde dieser Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen. Zudem wurde der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, ihre Abschiebung nach Ägypten für zulässig erklärt sowie eine 14-tägige Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt.

Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.2024, I403 2298710-1/8E, stattgegeben und der Beschwerdeführerin gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt sowie gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Das BVwG stellte fest, die 29-jährige gebildete und an Depressionen leidende Beschwerdeführerin sei streng gläubige Muslima gewesen, die in ihrer Familie als religiöses Vorbild gegolten und sich intensiv mit dem Glauben auseinandergesetzt habe. Im Laufe der Zeit habe sie jedoch Zweifel am Islam entwickelt, insbesondere auch in Bezug auf die Frauen zugedachte Rolle. Sie habe ihre Zweifel gegenüber ihrem Vater, zu dem sie ein enges Verhältnis gehabt habe, geäußert und ihr Verhalten geändert, indem sie nicht mehr so häufig gefastet und gebetet habe wie in der Vergangenheit. Nach dem Tod ihres Vaters hätten die Probleme der Beschwerdeführerin mit ihrer Familie begonnen, da diese sie für den Tod ihres Vaters verantwortlich gemacht habe. Zudem sei es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit ihrem Onkel und ihrem Bruder gekommen. In dieser Zeit habe die Beschwerdeführerin begonnen, sich dem Christentum zuzuwenden. Im Jahr 2021 habe ihr Bruder sie in Alexandria ausfindig gemacht und bedroht. Die Beschwerdeführerin habe sich an die Polizei gewandt, sei jedoch mit dem Verweis auf ein familiäres Problem abgewiesen worden.

Die Beschwerdeführerin sei im Februar 2023 mit der Katholischen Kirche in Kontakt getreten und am 31.05.2023 in die Taufvorbereitung aufgenommen bzw. am 04.10.2024 in der Diözese Wien getauft worden. Die Beschwerdeführerin sei innerlich konvertiert und fühle sich als Christin. Ihr sei es ein Anliegen, die Rituale der katholischen Kirche zu vollziehen und ihren Glauben an Andere weiterzugeben. Der Bruder der Beschwerdeführerin sei über die Taufe informiert und habe sie auch in Österreich in Form von E-Mails bedroht. Im Falle einer Rückkehr gehe eine Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführerin von ihrem Bruder und ihrer Familie aus. Auch bei einem Umzug in einen anderen Landesteil bestehe die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Bruder gefunden werde. Zudem sei ihr als alleinstehende, konvertierte und durch psychische Erkrankungen eingeschränkte Frau eine Ansiedelung in einem anderen Landesteil nicht zumutbar.

Zur Lage von Personen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, führte das BVwG aus, dass die Konversion vom Christentum zum Islam einfach sei und vom ägyptischen Staat anerkannt werde, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führe. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie hätten Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Christen, die vom Islam konvertiert seien, würden schwerste Verfolgung erleben. Die ägyptischen Sicherheitsdienste seien dafür bekannt, Konvertiten zu verhaften und einzuschüchtern, damit sie über ihre Konversion schweigen. Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte seien Konvertiten vom Islam zum Christentum, deren Abfall vom Islam entdeckt werde, in Ägypten unmittelbar in Gefahr, misshandelt oder sogar umgebracht zu werden. Der Staat biete keinen Schutz. Ganz besonders hart treffe es Frauen, deren Abkehr vom Islam entdeckt worden sei. Sogenannte Ehrenmorde, gerade in konservativ islamisch geprägten Schichten, würden in Ägypten immer wieder vorkommen.

In seiner Beweiswürdigung hielt das BVwG fest, die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und ihren Lebensumständen würden sich aus ihren Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ergeben. Die Aufnahme in die Taufvorbereitung bzw. die Taufe ergebe sich aus einem entsprechenden Schreiben eines Subregens des Priesterseminars Wien bzw. aus dem Taufschein. Zudem führte das BVwG aus, dass weitere Schreiben vorgelegt worden seien.

Die Feststellungen zur inneren Überzeugung der Beschwerdeführerin würden sich aus ihren schlüssigen Angaben in der Verhandlung, dem dabei gewonnenen persönlichen Eindruck sowie einer Zeugenaussage ergeben. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Taufe ein langer intensiver Prozess der Auseinandersetzung mit dem katholischen Glauben vorausgegangen sei, der von offiziellen Kirchenvertretern begleitet, aber auch beobachtet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe zudem in der Verhandlung erklärt, ihren Glauben nach außen tragen zu wollen. Das BVwG verwarf in diesem Zusammenhang die Ausführungen des BFA, wonach die Konversion der Beschwerdeführerin nur in der Hoffnung auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens erfolgt sei.

Die Bedrohungen durch ihren Bruder und dessen Wissen über die erfolgte Taufe würden sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und dem vorgelegten E-Mail-Verkehr ergeben, die Feststellungen zur Situation von Konvertiten in Ägypten aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, zwei weiteren Berichten sowie einer Anfragebeantwortung.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, die Beschwerdeführerin werde bei einer Rückkehr an ihren Heimatort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von ihrem Bruder schwer verletzt, misshandelt oder getötet, da er ihre Abkehr vom islamischen Glauben und den Übertritt zum christlichen Glauben nicht akzeptiere. Die Beschwerdeführerin habe im gegenständlichen Verfahren ihre innere, tatsächliche Hinwendung zum Christentum glaubhaft machen können. Zudem sei in ihrem Fall auch davon auszugehen, dass sie bei einer Rückkehr religiöse Betätigungen vornehmen werde, die sie der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung durch ihre Familie, insbesondere ihren Bruder, aussetzen würden. Die Verfolgung durch ihre Familie sei zwar eine Verfolgung durch Privatpersonen, von den Behörden habe die Beschwerdeführerin als zum Christentum Konvertierte jedoch keinen Schutz zu erwarten, weshalb von einer staatlichen Schutzwilligkeit im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden könne. Zudem bestehe keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative. Es sei somit glaubhaft, dass der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Religion Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK drohe. Da auch keine Hinweise auf das Vorliegen von in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründen vorliegen würden, sei der Beschwerde stattzugeben und der Beschwerdeführerin gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.

Bearbeitet von: Mag. Moritz Hessenberger


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