Das Verfahren zu E 2125/2024 betrifft einen syrischen Staatsangehörigen. Der Beschwerdeführer hatte nach Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA die BBU GmbH mit seiner Vertretung im Verfahren bevollmächtigt und durch seine bevollmächtigte Vertreterin Beschwerde an das BVwG erhoben. Das BVwG brachte der BBU GmbH als Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers die Ladung zur mündlichen Verhandlung zu Kenntnis. Daraufhin teilte die BBU GmbH dem BVwG in einem Schreiben mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen könne, sie den Beschwerdeführer aber über sein Recht auf Vertretung aufgeklärt habe und sich der Beschwerdeführer auf Grund seines Interesses an einer möglichst zeitnahen Entscheidung dafür entschieden habe, an der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Rechtsvertreterin teilzunehmen. Das BVwG führte daraufhin die mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer, aber in Abwesenheit der Rechtsvertreterin durch.
Der VfGH weist zunächst auf seine eigene und auf Rechtsprechung des VwGH hin, wonach es Sache des Gerichtes ist, dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater auch tatsächlich in Anspruch genommen werden kann (vgl. VfSlg. 19.490/2011 und die weiteren in Rz 18 des Erkenntnisses zitierten Entscheidungen, sowie VwGH 3.5.2016, Ro 2016/18/0001). Ferner verweist der VfGH auf seine ständige Rechtsprechung zu von Amts wegen beigegebenen Rechtsberatern, die zur mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht erscheinen. Danach gibt er Beschwerden statt, wenn die mündliche Verhandlung durchgeführt wird, ohne dass die beschwerdeführende Partei über die Möglichkeit der Ladung des:der Rechtsberater:in in Kenntnis gesetzt oder dahingehend befragt wird, ob das Vertretungsverhältnis aufrecht bleiben soll (VfGH 24.2.2020, E 2425/2019; 22.9.2021, E 2594/2021). In der Folge wendet er diese Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall an, in dem die amtswegig beigegebene Rechtsvertretung von der beschwerdeführenden Partei bevollmächtigt und vom Gericht geladen worden war, dem Gericht aber zuvor mitgeteilt hatte, an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen zu können. Indem das BVwG den Beschwerdeführer angesichts der Abwesenheit seiner Rechtsvertretung nicht ausdrücklich dahingehend befragt hat, ob die mündliche Verhandlung ohne Anwesenheit der von Amts wegen beigegebenen Rechtsvertretung durchgeführt werden kann, hat es in Kauf genommen, dass der Beschwerdeführer während der gesamten Verhandlung nicht vertreten war, anstatt diesen (zumindest) über die Möglichkeit der Beiziehung der Rechtsvertretung in Kenntnis zu setzen. Entgegen der offenkundigen Auffassung des BVwG genügt die Mitteilung der BBU GmbH an das BVwG, dass der Beschwerdeführer keinen Einwand gegen die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit seiner Rechtsvertretung hat, nicht; es ist vielmehr Aufgabe des BVwG, sich dieser Tatsache durch Belehrung und Nachfrage zu vergewissern.
Das Verfahren zu E 2483/2024 betrifft ebenfalls einen syrischen Staatsangehörigen. Auch dieser hatte nach Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA die BBU GmbH mit seiner Vertretung im Verfahren bevollmächtigt und durch seine bevollmächtigte Vertreterin Beschwerde an das BVwG erhoben. Das BVwG brachte der BBU GmbH als Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers die Ladung zur mündlichen Verhandlung zu Kenntnis, woraufhin die BBU GmbH eine Vertagungsbitte stellte, da es ihr nicht möglich sei, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Unter einem wurde das BVwG darum gebeten, die BBU GmbH im Falle der Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Rechtsvertreterin zu entschuldigen. Das BVwG führte daraufhin die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Rechtsvertreterin durch.
Auch in diesem Fall erkannte der VfGH (zunächst mit iW gleicher Begründung wie im Erkenntnis zu E 2125/2024) eine willkürliche Handhabung des Verfahrensrechts, da es das BVwG in der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, den Beschwerdeführer über sein Recht zu informieren, gemeinsam mit seiner Rechtsvertretung an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, und weil die mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, obwohl kein Hinweis dafür vorlag, dass der Beschwerdeführer keinen Einwand gegen die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit seiner Rechtsvertretung hatte. Außerdem hat das BVwG in diesem Fall die Prüfung unterlassen, ob der von der BBU GmbH gestellten Vertagungsbitte stattzugeben ist.
Bearbeitet von: Dr.in Martina Lais