Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, stellte am 17.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2023 wurde dieser Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat China abgewiesen. Zudem wurde der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, ihre Abschiebung nach China für zulässig erklärt sowie eine 14-tägige Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt.
Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2024, W233 2285422-1/7E, stattgegeben und der Beschwerdeführerin gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt sowie gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Das BVwG stellte fest, die Beschwerdeführerin sei eine Staatsangehörige Chinas und Angehörige der Volksgruppe der Han-Chinesen. Sie sei zudem Angehörige der christlichen Vereinigung der „Church of the almighty God – CAG“ (auch „Kirche des Allmächtigen Gottes“ bzw. „quan neng shen jiao“), welche von den chinesischen Behörden als „böser Kult“ und illegale religiöse Gruppe gesehen werde. Die Beschwerdeführerin laufe im Falle einer Rückkehr nach China auf Grund ihrer Religion Gefahr, von Seiten staatlicher Einrichtungen schwerer psychologischer und physischer Folter ausgesetzt zu sein, um sie zu zwingen, ihren religiösen Überzeugungen abzuschwören. Bei einer Rückkehr nach China würde die Beschwerdeführerin ihre religiöse Überzeugung nämlich nicht aufgeben. Zudem stehe ihr keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
In seiner Beweiswürdigung hielt das BVwG fest, die Feststellungen hinsichtlich der religiösen Überzeugung der Beschwerdeführerin würden sich auf ihre eigenen Angaben, im Besonderen auf jene in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, stützen. Im Zuge dieser Befragung habe die Beschwerdeführerin dem erkennenden Richter gegenüber glaubhaft machen können, dass sie sich zu der zum Christentum zählenden Vereinigung „Church of the almighty God – CAG“ bekenne.
Dies vor allem deshalb, da die Beschwerdeführerin die an sie im Zusammenhang mit ihrer religiösen Einstellung gestellten Fragen plausibel beantworten habe können und zudem ihre Kenntnis von der Glaubenslehre unter Beweis gestellt habe. So habe sie ausgeführt, sie orientiere sich an den göttlichen Aussagen im Neuen und Alten Testament und am Buch „Das Wort ist Fleisch geworden“. Bereits im Zuge ihrer Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe die Beschwerdeführerin erklärt, dass Gott in Form einer Frau wiedergekehrt sei. Ihre Ausführungen zu ihrer Glaubenslehre würden sich auch mit einem von der Beschwerdeführerin ins Verfahren eingebrachten Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aus Deutschland decken.
Die Feststellungen hinsichtlich der Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerin ergäben sich aus den in das Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationen.
Anhand des in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks bestünden auch keine Zweifel daran, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach China ihre religiöse Überzeugung nicht aufgeben werde.
Das Fehlen einer innerstaatlichen Fluchtalternative begründete das BVwG mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin im gesamten chinesischen Hoheitsgebiet mit Verfolgung rechnen müsse. Selbst im Falle einer Ansiedelung in einer der Großstädte in China sei es ihr aufgrund der dort eingesetzten Massenüberwachungssysteme nicht möglich, für die Behörden unerkannt zu leben bzw. ihre religiöse Überzeugung ohne Kenntnis der Behörden öffentlich auszuüben.
In der rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, die Beschwerdeführerin sei Anhängerin der in China verfolgten christlichen Vereinigung der „Church of the almighty God – CAG“, weshalb ihr wegen ihrer religiösen Überzeugung im Falle ihrer Rückkehr nach China mit hinreichender Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung in Form von schwerer psychologischer und physischer Folter drohe, um sie zu zwingen, ihrer religiösen Überzeugung abzuschwören. Nach der Überzeugung des BVwG könnte die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach China keine öffentlich wahrnehmbare Glaubensbetätigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder gar im Falle des Versuches, andere von ihrer religiösen Anschauung überzeugen zu wollen, würde sich die Beschwerdeführerin der beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen.
Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK erfülle, da sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befinde und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Bearbeitet von: Mag. Moritz Hessenberger